Berlin Idalion Project (BIP) – Feldkampagne 2024


Die Grabungskampagne 2024 des Berlin-Idalion-Projekts (BIP), das in Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Archäologie der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität von Zypern und unter der Schirmherrschaft des Antikendienstes der Republik Zypern durchgeführt wurde, dauerte vom 10. September bis zum 10. Oktober 2024. Wie in den vergangenen Jahren fanden unsere Aktivitäten im Rahmen einer Erasmus+ Lehrmobilität statt und wurden von Studia Cyprologica Berolinensia unterstützt. Eine wichtige Unterstützung in Form von Sachleistungen kam von der Photos Photiades Group (Dali).

Wie in den Vorjahren konzentrierten sich die Arbeiten unter der Leitung von Prof. Dr. Stephan G. Schmid auf das obere Plateau von Idalion-Moutti tou Arvili, die so genannte Ostakropolis, genauer gesagt auf ein Gebiet, in dem seit dem späten 19. Jahrhundert ein Heiligtum der großen zypriotischen Göttin vermutet wird. Sieben BA-, MA- und PhDStudierende der Humboldt-Universität, ein PhD-Student der Universität Kiel sowie fünf BAund MA-Studierende der Universität Zypern haben an der Kampagne teilgenommen (Abb. 1).

Abb. 1: Idalion-Moutti tou Arvili. Teilnehmende aus Zypern und Deutschland auf der Ausgrabungsstätte. (© BIP, S. G. Schmid)

Bei den diesjährigen Ausgrabungen wurden Reste von relativ substantieller Architektur entdeckt (Abb. 2). Eine gut gebaute, in Ost-West-Richtung ausgerichtete Mauer, die wir in den vergangenen Jahren auf etwa 20 m Länge verfolgen konnten und von der wir annehmen, dass sie der nördlichen Begrenzung (Temenos) des Heiligtums entspricht, bildet die Ecke eines Gebäudes im diesjährigen Grabungsareal, das wir vorläufig als Gebäude 1 bezeichnen (Abb. 2). In nur ca. 1 m Entfernung begann die Ausgrabung eines weiteren Gebäudes (Gebäude 2 auf Abb. 2), das eine ganz leicht abweichende Ausrichtung aufweist. Ursprünglich befand sich zwischen den beiden Gebäuden eine kleine Freifläche, eine Art kleine Gasse, die in einer späteren Phase durch eine massive Lehmziegelmauer geschlossen wurde (Abb. 2) und nun zu einem internen Korridor zwischen den beiden Gebäuden wurde. In diesem Bereich wurden mehrere aufeinanderfolgende Gehniveaus und Ascheschichten entdeckt, die erhebliche Mengen an Keramik, hauptsächlich aus hellenistischer Zeit, enthielten. In einigen Fällen wurden sogar
Reste von Tierknochen in Keramikgefäßen gefunden, was darauf hindeutet, dass der Korridor entweder für die Zubereitung, den Verzehr oder die Lagerung von
Nahrungsmitteln genutzt wurde – oder für die Ablagerung nach der Reinigung oder Zerstörung eines Bereichs mit einer der oben genannten Funktionen.

Abb. 2: Idalion-Moutti tou Arvili. Teil des 2024 ausgegrabenen Bereichs mit den Überresten zweier Gebäude, die zu einem Heiligtum der großen kyprischen Göttin gehörten. (© BIP, S. G. Schmid)

In den letzten Räumen in der NO-Ecke von Gebäude 1 und vor allem unmittelbar entlang der Temenos-Mauer wurden zahlreiche Kalkstein- und Terrakottafiguren entdeckt, die alle von sehr guter künstlerischer Qualität sind. Interessanterweise wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt, den wir nach den Ergebnissen der vergangenen Jahre auf etwa 500 v. Chr. datieren können, in diesem Bereich eine neue Bodenebene, unter anderem bestehend aus vollständigen Kalksteinstatuetten aus der kypro-archaischen Zeit, geschaffen, die in eine harte Mörtelschicht eingepackt waren. Während in anderen Bereichen der Ausgrabung die entsprechenden Bodenschichten kleine Fragmente stark zerbrochener archaischer Skulpturen enthielten, wurden in der spezifischen Zone, die in diesem Jahr ausgegraben wurde, mehrere vollständige oder fast vollständige Statuetten in der Bodenschicht gefunden, als ob sie absichtlich dort deponiert worden wären. In einem weiteren Zerstörungshorizont, etwa 10 cm oberhalb der Bodenschicht, die ausschließlich kypro-archaische Skulpturen enthielt, fanden wir erneut (fast) vollständige Statuetten aus Terrakotta und Kalkstein, diesmal aber mit Skulpturen aus der kypro-archaischen bis in die hellenistische Zeit (Abb. 3). Eines der bemerkenswertesten Objekte aus diesem Horizont ist eine Kalksteinstatuette mit einer erhaltenen Höhe von 40 cm (Abb. 4). Sie zeigt eine Frau, die einen Chiton und ein Himation mit leuchtend roten Farben an den jeweiligen Enden trägt. Der Mantel bedeckt auch den Hinterkopf, so dass die vorderen Locken des Haares und die Ohren mit den Ohrringen sichtbar sind. Der linke Arm ist zur linken Brust hin angewinkelt, und mit der linken Hand hält sie das Himation und einen ovalen
Gegenstand, möglicherweise ein Ei. Eingeklemmt unter oder hängend an ihrem linken Unterarm erkennt man einen flachen, runden Gegenstand, vielleicht ein Spiegel. Der rechte Arm hängt an der rechten Flanke des Körpers herab und hielt ursprünglich einen Gegenstand, der jetzt verloren ist, aber Reste sind am rechten Oberschenkel, kurz über dem Knie, sichtbar. Das rechte Handgelenk wird von einem Armband geschmückt. In der allgemeinen Haltung und den Umrissen weist die Statuette Ähnlichkeiten mit einer hellenistischen Statue in Lebensgröße auf, die im 19. Jahrhundert an der gleichen Stelle gefunden wurde und sich heute im Louvre in Paris befindet (Inv. N III 3278). Wie die Louvre-Statue dürfte auch unser kleineres Exemplar aus der hellenistischen Zeit stammen und entweder die Göttin Aphrodite selbst oder eine ihrer Anbeterinnen darstellen.

Abb. 3: Idalion-Moutti tou Arvili. NO-Ecke von Gebäude 1 mit Temenos-Mauer und Votivgaben aus der kyproarchaischen und hellenistischen Zeit. (© BIP, S. G. Schmid)

Abb. 4: Idalion-Moutti tou Arvili. Hellenistische Kalksteinstatuette einer Frau, die entweder die Göttin Aphrodite oder eine Anbeterin ihres Kultes darstellt. (© BIP, S. G. Schmid)

Was die Kultinhaberin des untersuchten Heiligtums anbelangt, so können wir einige zusätzliche Elemente aus den diesjährigen Ausgrabungen anführen. Für die kyproarchaische Periode verfügen wir über einige ikonographische Informationen wie Kronen von Terrakottastatuen mit Mond- und Sonnensymbolen, aber auch über Figurinen vom Typ der nackten Frau, die ihre Brüste hält (Abb. 5). Wie von anderen Forscher:innen hervorgehoben wurde, stellt dieser Typus eher eine Gottheit als Adorantinnen dar und deutet somit auf einen Kult der großen kyprischen Göttin hin, der Aspekte der nahöstlichen Astarte einschließt. Die auf Abb. 5 dargestellte Figurine wurde ebenfalls in der NO-Ecke von Gebäude 1 gefunden, allerdings in einer gestörten Schicht ohne relevanten Kontext.
Für die kyproklassische II und die darauf folgende hellenistische Periode würde die Ikonographie der Votivgaben, wie die Statuette auf Abb. 4, auf einen Aphrodite-Kult hindeuten, aber bekanntlich ist der Kult bzw. sind die Kulte der großen kyprischen Göttin reich an Varianten und Namen. Hier können wir uns auf eine Tonscherbe aus der diesjährigen Ausgrabung stützen, die die Reste einer eingeschnittenen griechischen Buchstabeninschrift zeigt, die offenbar vor dem Brennen angebracht wurde (Abb. 6). Die erhaltenen Teile zeigen die Buchstaben ᾼΦΡΟΔ[…] (APHROD…), die kaum einen Zweifel an der Hauptgottheit des Heiligtums lassen.

Abb. 5: Idalion-Moutti tou Arvili. Kyproarchaische Terrakottastatuette einer Frau, welche die große kyprische Göttin darstellt. (© BIP, S. G. Schmid)

Abb. 6: Idalion-Moutti tou Arvili. Gefäß mit dem Namen der Göttin Aphrodite, in griechischer Buchstabenschrift eingeritzt. (© BIP, S. G. Schmid)

 

 

 

 

Nach mehr als 130 Jahren Forschung scheint sich also die Hypothese zu bestätigen, dass das Heiligtum der in der hellenistischen und römischen Dichtung besungenen großen Göttin Idalions auf dem Gipfel des Hügels von Moutti tou Arvili stand.

Wie schon in den vergangenen Jahren stießen unsere Aktivitäten in Idalion auf großes Interesse in der lokalen, regionalen und internationalen Gemeinschaft. Davon zeugen die Besuche von Dr. Lina Kassianidou, Kulturministerin der Republik Zypern (Abb. 7), Dr. Giorgos Georgiou, Generaldirektor der Altertumsbehörde der Republik Zypern (Abb. 8), und I.E. Anke Schlimm, Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Zypern (Abb. 9).
Sehr wertvoll für uns ist die kontinuierliche Unterstützung durch die lokale Gemeinschaft, insbesondere durch die Gemeinde Süd-Nikosia–Idalion. Unser besonderer Dank gilt Dr. Stavros Hadjigiannis, Bürgermeister der Gemeinde Süd-Nikosia–Idalion, für die logistische und praktische Unterstützung. Im Rahmen einer internationalen Konferenz, die gemeinsam von deutschen und französischen Wissenschaftler:innen in Dali organisiert wurde, konnte Stephan G. Schmid Dr. Hadjigiannis als Anerkennung für die kontinuierliche Gastfreundschaft einen 3D-Druck eines der schönsten Funde der Grabungskampagne 2023, einen lebensgroßen Kalksteinkopf des Gottes Apollon überreichen (Abb. 10).

 

Abb. 7: Idalion-Moutti tou Arvili. Besuch von Dr. Lina Kassianidou, Kulturministerin der Republik Zypern, an der Ausgrabungsstätte. (© BIP, S. Götz)

Abb. 8: Idalion-Moutti tou Arvili. Besuch von Dr. Giorgos Georgiou, Generaldirektor der Altertumsbehörde, an der Ausgrabungsstätte. (© BIP, S. Götz)

Abb. 9: Idalion-Moutti tou Arvili. Besuch von S.E. Anke Schlimm, Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Zypern, an der Ausgrabungsstätte. (© Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Zypern, A. Schlimm)

Abb. 10: Dr. Stavros Hadjigiannis, Bürgermeister der Gemeinde Nikosia Süd – Idalion (rechts) und Stephan G. Schmid mit dem 3D-Druck eines Kalksteinkopfes, der in Idalion-Moutti tou Arvili gefunden wurde. (© A. Hamatsou)